Keine
einfache Rechenaufgabe Martin
Schönfeld
Kunst für einen Universitätsstandort
zu entwickeln, gehört zu den sehr attraktiven Aufgaben der
Kunst im öffentlichen Raum. Gegenüber den eher didaktisch
angelegten Aufgabenstellungen für Kunst am Bau an Kindertagesstätten
oder an Schuleinrichtungen des allgemeinen Bildungswesens kann
Kunst im Bereich der Wissenschaften eine größere Offenheit
und Freiheit des Diskurses über das noch nicht Gedachte
und sich in der Kunst neu Formulierende erwarten.
Im Verlauf der Jurysitzungen des Kunstwettbewerbs für
den Campus Adlershof der Humboldt-Universität Berlin gab
es solche Momente, in denen am Beispiel der Wettbewerbsentwürfe
eine Reflexion über Wissenschaft und wissenschaftliche Arbeit
und über das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft
aufschien. Doch zu schnell wurden diese Momente auf den Boden
der technischen Tatsachen zurückgeholt. So bleibt auch nach
dem zweiten Kunstwettbewerb für Adlershof die Frage noch
weiter zu klären, wie das besondere kreative Potenzial eines
Universitätsstandorts noch besser in einen Kunstwettbewerb
integriert werden kann.
Wettbewerbsverfahren
Die Jury setzte sich aus elf stimmberechtigten Mitgliedern zusammen.
Fünf Fachpreisrichter und sechs Sachpreisrichter. Damit
hatten die Sachpreisrichter die Stimmenmehrheit inne, was den
allgemeinen Vorgaben für Kunstwettbewerbe widersprach.
Die Qualität der Diskussion des Preisgerichts und das
Verständnis für die künstlerischen Projekte
hat unter dieser Abweichung jedoch nicht gelitten. Auch die
Wahl eines Sachpreisrichters zum Juryvorsitzenden wich von
den wünschenswerten Vorgaben für Kunstwettbewerbe
ab, denn diese Rolle soll eigentlich den Fachpreisrichtern
vorbehalten sein. Der Architekt Volker Staab erfüllte
die Aufgabe des Juryvorsitzenden jedoch in anerkennenswerter
Weise. Beide Abweichungen unterstreichen aber, wie wichtig
eine verbindliche Formulierung und Umsetzung von allgemeinen
Regularien für Kunstwettbewerbe ist.
Wegen der Enthaltung eines Sachpreisrichters führte die
abschließende Wertung zur Stimmengleichheit, sodass keine
Ausführungsempfehlung ausgesprochen werden konnte.
Ruhe!!! Verdammt nochmal!
Nach der ersten Jurysitzung erfolgte die Ausstellung der
Entwürfe, die bei Studenten, Dozenten und Mitarbeitern ein
sehr differenziertes Echo fand, wie es sich in den Eintragungen
des Gästebuches ausdrückt: »Die Klanginstallation
ist ein sehr interessanter Vorschlag und passt ausgezeichnet zum
Konzept ›Aerodynamischer Park‹.« Aber das
Gästebauch verzeichnete auch Eintragungen wie etwa »Ruhe!!!
Verdammt nochmal!« und andere, die vor »Beschallung«
und »Krach« warnten. Der Fachschaftsrat Mathematik
unternahm deshalb sogleich eine »Umfrage/Unterschriftenaktion
für bzw. gegen eine Klanginstallation im Aerodynamischen Park
in Adlershof«. Die Mehrzahl sprach sich – wohl wie
gewünscht – gegen eine Klanginstallation aus.
Sich in ein laufendes Wettbewerbsverfahren mit einer Unterschriftenaktion
einzubringen, hat es in Berliner Kunstwettbewerben noch nicht
gegeben. Darin äußert sich wohl auch ein Interesse
der Nutzer, stärker an der Entscheidungsfindung mitwirken
zu können. Plebiszite über künstlerische Entwürfe
sind Unsinn. Eine Wettbewerbsentscheidung muss in der freien
Meinungsbildung einer kompetent besetzten Jury liegen. Aber gerade
an einer Universität wäre eine öffentliche Vorstellung
und Diskussion von Entwürfen im Vorfeld einer Jurysitzung
denkbar und vielleicht auch wünschenswert. Im Rahmen solcher
Veranstaltungen könnten sich die Vorstellungen der Nutzer
in einer breiteren Vielfalt formulieren. Auch könnten die
geäußerten vielfältigen Meinungen durch den
Nutzervertreter als Sachverständigen in die Jurysitzung eingebracht
werden. Ohne diesen Hintergrund aber beschränkte sich die
Nutzermeinung in den Jurysitzungen allein auf technische Fragen und
entsprach darin den Wünschen der Hochschulleitung: Kein Lärm,
keine Folgekosten, Kunst darf nicht stören.
Da bei einem vergleichbar großen und kompetenten Gremium
die Findung eines gemeinsamen Termins sehr schwierig ist, verging
bis zur Fortsetzung der Jurysitzung fast ein halbes Jahr. Bei
der abschließenden Wertung fand der Entwurf von Stefan
Krüskemper die meisten Stimmen und wurde zur Ausführung
empfohlen.
Konzept einer integrativen Kunst
Das Preisgericht wertete den Entwurf von Stefan Krüskemper
als »spannende und subtile Setzung, die einen ernsthaften Zugang
zur historischen Dimension des Standorts eröffnet. Reizvoll ist
der zurückhaltende, poetische Umgang mit dem Ort und das Spiel mit
den unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Vorstellungsebenen der
Betrachter. Die räumliche Anordnung der einzelnen Klangobjekte lockt
Besucher und Nutzer weg von ihren angestammten Wegen. Die Klangstücke
überraschen die Passanten und lassen auch die Stille und die
vorhandenen Umgebungsgeräusche zum Teil des vielschichtigen
Gesamtkonzepts werden. Die Arbeit in ihrer szenischen Dimension bildet
einen gelungenen neuen Ansatz für Kunst im öffentlichen
Raum.«
Das Ergebnis des Wettbewerbs setzt auf eine differenzierte Form der
Auseinandersetzung mit Wissenschaft. Es wurde ein Entwurf zur
Ausführung empfohlen, der bewusst auf demonstrative Gesten und einen
vorlauten symbolischen Paukenschlag verzichtet und stattdessen eine
künstlerische Strategie verfolgt, die sich in bestehende räumliche
Strukturen einfügt, diese neu akzentuiert und die Fragestellungen
und Themen eines Ortes vielschichtig zur Darstellung bringt. Eine solche,
auf räumliche Integration setzende ästhetische Haltung wird das
Richtmaß für künftige künstlerische Aktivitäten
im Bereich des Campus Adlershof sein. [...] |